Mercedes-Benz: Sind die Grenzen der Preisstrategie erreicht?

Mercedes-Benz stößt mit seinen Preissteigerungen an eine kritische Grenze.

Das Unternehmen, das sich in den letzten fünf Jahren unter der Leitung von Ola Källenius auf exklusive und hochpreisige Fahrzeugmodelle konzentriert hat, sieht sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert. Ursprünglich zielte Källenius darauf ab, die Marke ähnlich wie “Apple”, “Louis Vuitton” und “Ferrari” zu positionieren, um durch Fokussierung auf hochwertige Baureihen höhere Umsatzrenditen zu erzielen. Diese Strategie hat die Umsatzrendite tatsächlich auf ein zweistelliges Niveau gehoben. Jedoch ist der Erfolg dieser Strategie in Gefahr. Die Auftragsbücher, die während der Pandemie gefüllt wurden, sind nun abgearbeitet. Zudem stößt die Nachfrage nach Elektroautos auf Probleme, und selbst bei neuen Verbrennermodellen stoßen weitere Preiserhöhungen bei den Kunden auf Widerstand. Moritz Kronenberger, Portfoliomanager bei “Union Investment”, äußerte sich kritisch über die Preispolitik des Unternehmens. “Die Luxusstrategie des Konzerns ist gefährdet ”, so Kronenberger im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er vertritt die Meinung, dass die fortgesetzten Preisanhebungen den Zenit überschritten haben und warnt vor einem grundsätzlichen Missverständnis in der Strategie des Konzerns. Investoren fordern daher deutliche Anpassungen, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. “Luxus heißt Verknappung. Die Strategie von Mercedes geht darauf aber kaum ein ”, kritisiert Kronenberger. Er argumentiert, dass die Marke weiterhin die Zielmarke von zwei Millionen Neuwagen pro Jahr anstrebt, was es schwierig macht, hohe zweistellige Margen wie “Porsche” zu erreichen. Das Vertrauen der Investoren an der Börse in das Unternehmen ist gering, und selbst intern gibt es Bedenken hinsichtlich der strategischen Ausrichtung. “Wir sind nicht immer das, was wir sein wollen ”, gibt ein führender Manager zu bedenken. Zudem haben die Verkäufe der profitablen High-End-Modelle wie der S-Klasse aufgrund von Modellwechseln, Lieferengpässen und einem Rückgang der Nachfrage in China im ersten Quartal 2024 um 27 Prozent auf 66.600 Einheiten nachgelassen. Das Wachstum von “Mercedes” beschränkt sich, wenn überhaupt, auf kleinere oder mittelgroße Modellreihen, was sich negativ auf die Gewinnmargen auswirkt. Im ersten Geschäftsquartal 2024 fiel die operative Umsatzrendite des Automobilherstellers im Jahresvergleich von 14,7 Prozent auf 10,8 Prozent. „Ist das unsere Ambition? Nein, natürlich nicht “, erklärte Mercedes-Finanzchef Harald Wilhelm kürzlich und signalisierte damit eine klare Richtungsänderung. Er kündigte eine Verbesserung an: Eine innovative Generation von Elektrofahrzeugen, die ab 2025 auf den Markt kommen soll, wird darauf abzielen, “Mercedes-Benz” in eine neue Leistungsklasse zu führen und damit die Investoren zu überzeugen. Die Grundlage für diesen ambitionierten Schritt ist vielversprechend, wie ein detaillierter Blick in die Bilanzen des Unternehmens offenbart. Hoher Cashflow und umfangreiches Finanzvermögen In Zeiten, als “Mercedes” noch als “Daimler” bekannt war, sah sich der Konzern regelmäßig mit finanziellen Herausforderungen durch hohe Pensionsverpflichtungen konfrontiert, wobei stets eine Diskrepanz zwischen den Barwerten und den Planvermögen zur Deckung dieser Verpflichtungen bestand. Diese Zeiten sind jedoch vorbei. Seit 2022 hat “Mercedes” einen vollständigen Ausfinanzierungsgrad seiner Pensionslasten erreicht und verfügt nun über erhebliche finanzielle Mittel, die für Investitionen oder Akquisitionen eingesetzt werden können. Zum Jahresende verzeichnete das Unternehmen ein Nettofinanzvermögen von beeindruckenden 31,7 Milliarden Euro, was einem Anstieg von fast 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die verbesserte Liquiditätssituation des Unternehmens, mit einem Anstieg des Free Cashflows von 8,1 auf 11,3 Milliarden Euro, kommt sowohl den Mitarbeitern als auch den Eigentümern zugute. “Mercedes” zahlt an etwa 91.000 berechtigte Mitarbeiter jeweils eine Prämie von bis zu 7.300 Euro und plant, seinen Aktionären für das Geschäftsjahr 2023 eine Rekorddividende von 5,3 Euro pro Aktie auszuschütten, was eine Steigerung um zehn Cent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Trotz eines leichten Rückgangs bleibt der Reingewinn des Unternehmens mit 14,5 Milliarden Euro auf einem historisch hohen Niveau. Der Umsatz stieg 2023 um mehr als zwei Prozent auf 153 Milliarden Euro an. Zusätzlich konnte “Mercedes” seine Nettoverschuldung um weitere 1,7 Prozent auf 88,6 Milliarden Euro reduzieren. Das Unternehmen verstärkte seine Investitionen in Sachanlagen und Forschung und Entwicklung im Jahr 2023 um etwa 1,7 Milliarden Euro auf 13,7 Milliarden Euro, während die Rückstellungen leicht sanken und das Eigenkapital um sieben Prozent auf 92,8 Milliarden Euro anstieg. Da die Bilanzsumme bei 263 Milliarden Euro stabil blieb, verbesserte sich die Eigenkapitalquote deutlich von 31,1 auf 35,3 Prozent. Drastischer Preisanstieg bei Mercedes-Neuwagen Neuwagen der Marke “Mercedes-Benz” haben in den letzten Jahren eine deutliche Preiserhöhung erfahren. Seit 2019 stieg der durchschnittliche Verkaufspreis eines Mercedes-Pkw von 51.000 Euro auf über 74.000 Euro, was einer Steigerung von 45 Prozent in nur fünf Jahren entspricht. Jedoch scheinen die Preiserhöhungen nun an ihre Grenzen zu stoßen. In jüngster Zeit haben sich die Fahrzeugpreise stabilisiert, berichten Branchenkenner. Dies liegt zum einen daran, dass die Käufer nicht mehr bereit sind, fortlaufend höhere Preise für neue Modelle zu zahlen. Zum anderen hat das erwartete kontinuierliche Wachstum im Segment der hochpreisigen Luxuslimousinen und SUVs, wie der S-Klasse oder dem GLS, die jeweils über 100.000 Euro kosten, nachgelassen. Verkauf von Luxusmodellen flacht ab “Mercedes” hat seit 2019 versucht, einen gewinnbringenderen Produktmix zu etablieren, indem es mehr Luxusmodelle der Submarken “Maybach”, “G-Klasse” und “AMG” auf den Markt brachte. Der Konzern verzeichnete in diesem Segment einen Anstieg der Verkäufe von 250.000 auf 328.000 Fahrzeuge jährlich. Im Jahr 2023 jedoch wuchs “Mercedes” nur noch im Segment der Einstiegsklasse mit Modellen wie der “A-Klasse” oder dem “EQB”. Zurückgegangen sind auch die Verkaufszahlen mittelgroßer Fahrzeuge des Core-Segments wie der “C-Klasse”, “E-Klasse”, “EQE” oder “GLC”, was nicht den Planungen entsprach. Der Anteil der Einstiegsmodelle am Gesamtabsatz, der in den kommenden Jahren von 30 auf 23 Prozent reduziert werden soll, bleibt eine Herausforderung. Während die Stuttgarter beabsichtigen, im Core-Segment moderat zu wachsen und bei den Top-End-Produkten schnelle Zuwächse zu erzielen, haben sie möglicherweise die Präferenzen vieler Kunden übersehen, die sich weiterhin für Einstiegsmodelle entscheiden. Rückschläge in der Elektromobilität “Mercedes” stößt mit seiner ersten Generation von batterieelektrischen Fahrzeugen auf wenig Resonanz. Im Jahr 2023 verkauften die Stuttgarter lediglich 402.000 vollelektrische Fahrzeuge und Plug-in-Hybride, was deutlich unter den Zielvorgaben lag. Als Reaktion darauf revidierte CEO Ola Källenius seine Strategie, die ursprünglich vorsah, dass der Dax-Konzern bis zum Ende des Jahrzehnts fast ausschließlich Elektrofahrzeuge verkaufen würde. Nun rücken Diesel- und Benzinmotoren wieder stärker in den Fokus. Die Lebenszyklen wichtiger Verbrennermodelle wie die “S-Klasse”, “E-Klasse”, “GLC” oder “GLE” werden nach Insiderinformationen von den üblichen sieben auf bis zu zehn Jahre verlängert. Um diese Modelle weiterhin attraktiv zu gestalten, sind zusätzliche technische und gestalterische Updates erforderlich, was zusätzliche Kosten verursacht. Beispielsweise könnten diese alternden Verbrennermodelle eine für 2025 geplante neue elektrisch-elektronische Architektur erhalten, die wenige Zentralrechner anstelle der derzeit üblichen Systeme mit mehr als 100 Steuergeräten umfasst. Dringende Kostensenkungen bei Mercedes Die schwache Nachfrage nach Elektroautos und unerwartete Kosten verunsichern die Anleger zunehmend. „Es besteht das Risiko, dass Mercedes noch viel Geld in den Fortbestand seiner Verbrenner stecken muss “, warnt Moritz Kronenberger von “Union Investment”. Der Fondsmanager appelliert an “Mercedes”, die Sparbemühungen zu intensivieren. Es sei notwendig, die Produktionseffizienz zu steigern und die Personalkosten weiter zu reduzieren. „Perspektivisch muss über Werksschließungen nachgedacht werden “, merkt Kronenberger an. Obwohl Vorstandschef Ola Källenius bereits kleinere Standorte wie das Smart-Werk in Hambach, Frankreich, sowie eine Automontagefabrik in Brasilien veräußert hat, bleiben die größeren Werke, besonders in Deutschland, bisher verschont. Källenius verfolgt jedoch andere Strategien. Er hat das Ziel, “Mercedes” mindestens ebenso effizient zu gestalten wie “BMW”, gegenüber seinem Managementteam klar kommuniziert. Allein in den Bereichen Verwaltung und Vertrieb gibt “Mercedes” jährlich etwa 1,4 Milliarden Euro mehr aus als sein Münchner Konkurrent. Dennoch macht Källenius bei der Personalreduktion keine Kompromisse. Seit 2019 hat “Mercedes” in seiner Autosparte etwa 9300 Stellen gestrichen. Kürzlich startete das Unternehmen auch „Beat26“, ein neues Effizienzprogramm mit wichtigen Zulieferern, um die gestiegenen Materialkosten zu senken. Transporter boomen, Finanzsparte schwächelt Mit einem Umsatz von 123 Milliarden Euro und einem Betriebsgewinn von 14,2 Milliarden Euro steht die Autosparte von “Mercedes” für fast Dreiviertel der Erlöse und Erträge des Gesamtkonzerns. Entsprechend groß sind die Auswirkungen, wenn etwas schiefläuft. Und 2023 lief einiges schief. Das größte Problem: “Mercedes” musste einen Produktionsausfall von etwa 100.000 Fahrzeugen verkraften, weil “Bosch” nicht in der Lage war, ausreichend 48-Volt-Batterien zu liefern. Die operative Umsatzrendite schrumpfte um zwei Punkte auf 12,6 Prozent. Noch schlechter lief es in der Mobility-Division für Finanzdienstleistungen. Hier stürzte die Eigenkapitalrendite trotz eines Anstiegs des Neugeschäfts im vergangenen Jahr von 16,8 auf 9,5 Prozent ab. Aufgrund höherer Refinanzierungsraten und eines verschärften Wettbewerbs verdiente die Einheit um 1,1 Milliarden Euro weniger. Dass “Mercedes” auf Konzernebene mit 14,5 Milliarden Euro dennoch ein fast so hohes Nettoergebnis erzielte wie ein Jahr zuvor, lag an der “Van-Sparte”. Mit seinen Transportern generierte “Mercedes” einen Betriebsgewinn von 3,1 Milliarden Euro, ein Plus von 65 Prozent. Der Umsatz legte um 18 Prozent auf 22,3 Milliarden zu und die Marge erreichte einen Rekordwert von 15,5 Prozent. Schwierigkeiten am Aktienmarkt und niedriges “KGV” “Mercedes” strebt nach Unabhängigkeit durch einen Luxuskurs und strikte Sparmaßnahmen. Anders als “BMW” und “Volkswagen”, die durch große Familienaktionäre gestützt werden, besitzt “Mercedes” keinen solchen Ankerinvestor, weshalb ein hoher Börsenwert für das Unternehmen besonders wichtig ist. Obwohl die Marktkapitalisierung von “Mercedes” seit 2019 um über 25 Milliarden Euro angestiegen ist, bleibt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (“KGV”) mit 6,4 eines der niedrigsten im Dax. Im Vergleich dazu schneiden Wettbewerber wie “BMW” besser ab, während “Porsche” und “Tesla” weit voraus sind. Als möglichen Hebel für eine Kurssteigerung hält “Mercedes” immer noch 30 Prozent an “Daimler Truck”, einem nun eigenständigen Lkw-Hersteller, dessen Anteile mit einem Wert von zehn Milliarden Euro veräußert werden könnten.

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